Große Kontextfenster in KI-Modellen, die bis zu einer Million Tokens unterstützen, wecken enorme Begeisterung: Man könnte einfach alles – Dokumente, Tools, Anweisungen – in einen Prompt packen und die KI den Rest erledigen lassen. Die Idee klingt zwar verlockend, doch die Praxis zeigt, dass zu viel Kontext eine KI eher verwirren als unterstützen kann. Dieses Phänomen, auch Context Engineering genannt, beschreibt die Herausforderung, das „Kurzzeitgedächtnis“ der KI optimal zu managen. Wenn wir dieses Gedächtnis überladen, können verschiedene Probleme auftreten.
Eines davon ist die Kontextvergiftung (Context Poisoning). Hierbei schleicht sich ein Fehler oder eine Halluzination in den Kontext ein und wird von der KI immer wieder als Tatsache herangezogen, was zu unsinnigen Ergebnissen führt.
Ein weiteres Problem ist die Kontextablenkung (Context Distraction). Bei einem zu langen Kontext neigt das Modell dazu, sich auf wiederholte Aktionen aus der bisherigen Konversation zu versteifen, anstatt auf sein Training zurückzugreifen und neue, kreative Lösungswege zu entwickeln.
Zudem kann es zur Kontextverwirrung (Context Confusion) kommen. Gibt man der KI zu viele Werkzeuge oder irrelevante Informationen an die Hand, kann sie durcheinanderkommen und unpassende Tools für die falsche Aufgabe auswählen.
Die größte Herausforderung ist jedoch der Kontextkonflikt (Context Clash). Dies passiert, wenn im Laufe einer Konversation neue Informationen hinzukommen, die früheren widersprechen. Die KI hat dann Schwierigkeiten, frühere falsche Annahmen zu korrigieren und verrennt sich in einer falschen Lösung. Man kann es sich so vorstellen: Wenn eine KI in einem Gespräch einmal falsch abbiegt, weil ihr anfangs Informationen gefehlt haben, findet sie oft nicht mehr auf den richtigen Weg zurück. Diese frühen Fehleinschätzungen bleiben im Kontext „kleben“ und beeinflussen das Endergebnis negativ.
Gerade für komplexe KI-Agenten, die viele Informationen auswerten und über mehrere Schritte agieren, werden diese Probleme zur echten Hürde. Große Kontextfenster haben also durchaus ihre Stärken, etwa beim Zusammenfassen von Texten oder dem reinen Abruf von Fakten. Sobald es aber um komplexere Aufgaben geht, kann ein ungesteuerter, langer Kontext die KI regelrecht ausbremsen.
Wie wir gesehen haben, kann ein überladenes Kontextfenster eine KI schnell aus dem Takt bringen. Es gibt allerdings Lösungen um Probleme wie Context Poisoning oder Confusion zu vermeiden, oder zumindest einzudämmen.
Statt alles blindlings in die KI zu werfen, managen wir die Informationen gezielt. Schauen wir uns dazu einige Möglichkeiten an:
Retrieval-Augmented Generation (RAG): Anstatt ganze Dokumente in den Kontext zu stopfen, füttert man die KI mit dieser Methode nur mit den wirklich relevanten Informationsschnipseln. Das hält den Kontext sauber und die Antworten präzise.
Tool Loadout: Stellt euch einen Handwerker vor, der für einen Job nur das passende Werkzeug einpackt. Genau das macht man hier auch für die KI. Indem man nur die relevanten Tools auswählt, kann die Genauigkeit bei manchen Modellen um das Dreifache steigen! Für Entscheider besonders interessant: Das spart nicht nur Rechenleistung und Kosten, sondern macht die KI auch deutlich schneller.
Context Quarantine: Große Aufgaben werden hier in mehrere kleine, isolierte Teilaufgaben zerlegt. Jeder „Sub-Agent“ arbeitet in seinem eigenen, sauberen Kontextfenster. Anthropics Multi-Agent-System hat gezeigt, dass dieser Teamwork-Ansatz die Ergebnisse um beeindruckende 90 % verbessern kann.
Context Pruning & Summarization: Das ist das Aufräumkommando für den Kontext. Entweder werden überflüssige Informationen radikal entfernt (Pruning) oder lange Gesprächsverläufe zu einer kurzen Notiz zusammengefasst (Summarization). So bleibt die KI auch bei langen Aufgaben fokussiert und verfällt nicht in repetitive Muster.
Context Offloading: Man gibt der KI einen externen „Notizblock“ (Scratchpad), auf dem sie Zwischenschritte und Gedanken ablegen kann, ohne ihr Kurzzeitgedächtnis zu belasten. Alleine dieser simple Trick kann die Leistung in komplexen Prozessen um über 50 % steigern.
Man sieht also: Jeder einzelne Token im Kontextfenster hat Gewicht und beeinflusst das Ergebnis. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht darin, das größte Kontextfenster zu haben, sondern das cleverste. Mit diesen Techniken stellt ihr sicher, dass eure KI-Agenten nicht nur viel reden, sondern auch präzise und effizient abliefern.